Mein Leben

Aus dem Tagebuch meiner Mutter:

Da bist du nun, mein geliebter kleiner Sohn – mein Kind – nach dem ich mich so gesehnt habe! Jahre tiefster Sehnsucht sind erfüllt, alles Schwere und alle Schmerzen waren nicht umsonst. In meinem Arm liegst Du, noch wie ein Blumenblatt das vom Himmel herab in meine Hände geweht wurde, damit es Schutz und Wärme hat in seiner Zartheit.
Ich habe dich angenommen als ein Geschenk von Gott, seiner unendlichen Güte, die kein Gebet unerhört lässt. Ich habe dich angenommen, mein Kind mit aller Liebe, habe Dich aufgenommen und lasse dich nie mehr los.
"Ehe der Vorhang aufgeht, wird es dunkel im Saal"
Diese Worte, die mir meine Mutter kurze Zeit vor der Entbindung schrieb, habe ich durchlebt.
Es wurde sehr dunkel... aber dann ging der Vorhang auf und alles war wieder Licht!
Fronleichnam – Donnerstag den 31.Mai 1956 7.45 Uhr wurde unser Sohn Wolfram geboren.
Sein Gewicht betrug 7 Pfund und 200g, seine Länge 52cm, sein Kopfumfang 36,5cm.
Ein Körbchen in Wartaweil am Ammersee war sein erstes Bettchen auf dieser Welt, neben mehr als zwölf anderen kleinen Erdenbürgern. Um das noch so dünne Handgelenk war ein Bändchen befestigt: Wolfram von Oy.

Wolfram 1956 Wolfram heute

Dieser Eintritt in mein Leben bildet die Basis und die Grundlage für die körperliche und seelische Kraft die mir erst mit den Jahren Gewachsen ist und die mir ermöglicht hat auch in den dunkelsten Phasen und schwersten Prüfungen meines Lebens meinen Weg weiterzugehen. Dass diese Kraft entstehen konnte hat aber auch mit Veranlagungen zu tun, die mir buchstäblich in die Wiege gelegt waren und die später zu meinem Lebenselixier wurden. Dazu gehörte vor allem meine tiefe Verbundenheit mit der Natur und der Tatsache, dass ich mich bei jedem Wetter und jeder Temperatur darin wohlfühlen konnte. So habe ich schon als Baby heftig dagegen protestiert wenn meine Eltern mich – obwohl ich schon halb erfroren im Kinderwagen lag - in die warme Stube tragen wollten. Mein wahres "Kinderzimmer" und mein liebster Spielplatz war die Natur und Kälte, Wind und Regen haben mich im Gegensatz zu meinen vier jüngeren Geschwistern nie abgeschreckt.

So war mein erster Schultag der erste Einbruch in dieses Gefühl vollkommener Freiheit. Ich fühlte mich fortan wie ein Gefangener und wurde darüber so krank, dass ich von schwersten Asthmaanfällen und Heuschnupfen geplagt wurde, die erst zum Ende meiner Schulzeit langsam abklangen.

Wochenlange Aufenthalte in Asthmakliniken waren erforderlich, begleitet von der ständigen Mahnung der Ärzte an meine Eltern ich dürfe weder Sport treiben noch mich auf andere Art überanstrengen. Ich war nur noch ein Schatten meiner selbst und weiß nicht was aus mir geworden wäre, wenn nicht meine Eltern mir die für mich beste Therapie gegeben hätten, indem sie mich immer wieder in ihre geliebten Berge mitnahmen. Das erste Mal als ich acht Jahre alt war. Es war für mich keine rechte Freude, denn schon nach hundert Metern blieb mir durch mein Asthma die Luft weg und es tat weh zu erleben, wie mein drei Jahre jüngerer Bruder ohne Anstrengung mithalten konnte. Doch meine Eltern waren geduldig und mit der Entscheidung eine Almhütte im Kaisergebirge in Österreich zu pachten, erschlossen sie mir eine Bergwelt die zu meinem liebsten Ziel geworden ist.

Für immer wird diese Bergwelt verbunden bleiben mit den Erinnerungen an die schönen Wochenenden meiner Jugend, die ich dort verbracht habe, an die vielen gemeinsamen Touren auf alle umliegenden Gipfel, die Schluchten und Bäche die ich im Lauf der Zeit alle erwandert habe.
Auch die Erinnerungen an unsere gemütliche Hütte, den Frieden der dort zu finden war und die ersten Erfahrungen das man seinem Schicksal auch mit einer angeblich chronischen Krankheit nicht ausgeliefert ist, sondern durch Ausdauer und Willenskraft ein solches Leiden auch überwinden kann. Ab meinem 17. Lebensjahr war ich durch das regelmäßige Berggehen und meine nun begonnene Arbeit als Gärtner, gut trainiert und kräftig und - allen Unkenrufen der Ärzte zum Trotz – litt ich unter keinerlei Asthmaanfällen mehr. Meine unvermeidliche Einberufung zur Bundeswehr war mit der großen Hoffnung verbunden bei den Gebirgsjägern aufgenommen zu werden, damit wäre mir das Ableisten des Wehrdienstes ein leichtes gewesen. Stattdessen landete ich in einer Panzerkompanie in Pocking/Niederbayern – 140km von Zuhause und meinen geliebten Bergen entfernt. Das einzige was mir die Zeit dort erträglich gemacht hat, war die Tatsache, dass ich mich als guter und ausdauernder Marschierer für die 4-Tage-Märsche in Holland qualifizieren konnte. Dazu waren 3 Monate Vorbereitungstraining in verschiedenen Kasernen erforderlich mit täglichen langen Übungsmärschen. In Holland musste dann über 4 Tage lang jeden Tag eine Strecke von 45 km samt schwerem Gepäck absolviert werden.

So war auch dies Erleben wieder eine wichtige Erfahrung wie weit mein persönliches Training von Durchhalten und Willenskraft mich tragen konnte. Wie viel davon mir aber noch in den folgenden Jahren abgefordert wurde, davon hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung. 1982 erlebte ich ein kurzes Glück mit meiner ersten großen Liebe und die Geburt meiner ersten Tochter Mona, die mich sehr glücklich machte.

Auch der Beginn meiner Selbständigkeit mit einem kleinen Gartenbauunternehmen geschah in diesen Jahren. Meine Freundin, machte mich zu dieser Zeit auch zum ersten Mal mit etwas bekannt was ihr – die in Italien aufgewachsen war – ganz vertraut war – nämlich das Barfusslaufen.

Ich wusste noch nicht wie bedeutsam mir diese Vorliebe eines Tages werden würde. Das alles aber – auch die Geburt meiner 2 Tochter Lara wurde überschattet von Schicksalsschlägen die tiefe Wunden in mir hinterließen. Innerhalb von 5 Jahren starb zunächst mein jüngerer Bruder Tilman mit nur 24 Jahren unter tragischen Umständen.

Die Liebe zu meiner Freundin zerbrach und sie nahm meine geliebten Kinder mit sich. Wenig später stirbt meine Mutter an Krebs und nur eineinhalb Jahre später folgt ihr mein Vater nach einem Herzinfarkt. Meine Eltern – die immer soviel Liebe gegeben hatten – konnten den Tod unseres Bruders nie überwinden.

Die Sonne ging in meinem Leben erst wieder auf, als ich mit 34 Jahren meine Traumfrau kennen lernte und zwei Jahre später unser Wunschkind Emanuel geboren wurde.

Auch beruflich ging es aufwärts und mein Gartenbauunternehmen florierte wie nie zuvor. Aber auch dieses Glück sollte für mich nicht von langer Dauer sein. Aufgrund der allgemeinen Wirtschaftslage und vieler nicht bezahlter Aufträge, musste ich 7 Jahre später Konkurs anmelden. Alles was ich mir in über 20 Jahren aufgebaut und mit viel Arbeit erreicht hatte, war nun verloren. Zu diesem Zeitpunkt verließ mich auch meine Frau und nahm unseren gemeinsamen Sohn mit. Für mich brach eine Welt zusammen, da ich nun auch dieses Kind das ich sehr liebte, nicht mehr jeden Tag sehen konnte. Die gleiche schmerzliche Erfahrung wie Jahre zuvor mit meinen Töchtern wiederholte sich nun und es dauerte Jahre bis sich die ganze Situation wieder normalisierte. In meinen dunkelsten Stunden als das Leben für mich ohne Sinn und Perspektive geworden war, dachte ich oft an die ersten Sätze die meine Mutter mir in mein Tagebuch schrieb an die große Selbstaufopferung und Liebe die meine Eltern mir und meinen Geschwistern zu teil werden ließen und daran das auch sie niemals aufgegeben hatten. Dieses Vorbild und das Barfusslaufen das ich zu dieser Zeit schon viele Jahre trainiert hatte, haben mir geholfen mich von einem großen seelischen Druck zu befreien. Die Selbstüberwindung die damit verbunden war und die Konzentration die ich während des Barfusslaufens (vor allem bei Felsen, Eis und Schnee) aufbringen musste haben mich meine innere Ruhe und Balance wieder finden lassen.
Verbunden damit war ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit und Befreiung wenn es mir auf diese Weise wieder gelungen war – auch unter extremen Bedingungen – einen Gipfel zu erklimmen. Oft im Kaisergebirge aber auch im Berchtesgadener Land oder im Glocknergebiet. Ein Glücksgefühl das mir nur noch das Zusammensein mit meinen Kindern geschenkt hat.


So kam ich im Jahr auf 200-250 Touren. Mein liebster "Trainingsberg" aber war die Hochries am Samerberg den ich bis heute wohl an die 1500-mal bestiegen habe. Oft 3-4 mal, auch schon 6 mal am Tag – immer Barfuss manchmal sogar rückwärts oder auch auf dem Mountainbike. Viele interessante und wertvolle Begegnungen sind daraus entstanden. Auch wenn mit den Jahren über meine eigenwillige Art des Berggehens schon öfter in diversen Zeitungen berichtet wurde und auch ein Fernsehbeitrag in der Sendung "Berg auf – Berg ab" vom 28.10.1998 entstand. Es ging mir nie vorrangig um die Befriedigung eines rein sportlichen Ehrgeizes, sondern darum was mit Körper und Geist geschieht, wenn man versucht mit Ausdauer und dem eigenen Willen sich selbst zu überwinden und damit zu heilen.

Text zur Bergauf-Bergab Sendung vom 28.10.1998 von www.hobby-barfuss.de

Mit schnellem Schritt und kalter Sohle
Barfuß auf die Hochries
Was hätten die Leute nicht alles schon zu ihm gesagt.
"Jesus!" - "Yeti!" - Ob die Schuhe nicht passen würden? - Ob er Blasen an den Füßen habe?
Wolfram von Oy quittiert Kommentare dieser Art in der Regel mit einem Schulterzucken. Sollen sich die anderen Wanderer doch darüber wundern, dass er ohne Schuhe in die Berge geht. Ihm, sagt er, ihm mache das Barfuß - Laufen jedenfalls Spaß: Sogar der Winter bringt von Oy nicht dazu, Schuhe anzuziehen.
Im vergangenen Jahr stieg er zum Beispiel auf die Pyramidenspitze, barfuß durch knietiefen Schnee. Als er an einer Gruppe von Skitourengehern vorbeigegangen sei, sagt er, wären deren Gespräche verebbt. "Ich glaube, ich hab\' was mit den Augen", habe einer der Skifahrer gesagt. Noch heute schmunzelt von Oy, wenn er an diese Begegnung denkt. Er lacht darüber, mehr in sich hinein allerdings als nach außen.
Denn auffallen, das ist das Letzte, was sich von Oy vom Barfuß - Bergsteigen verspricht. Und dies wiederum macht den Mann mit dem Pferdeschwanz, dem grünen Anhänger um den Hals und den Armreif am Handgelenk viel interessanter als die Tatsache, dass er ohne Schuhe ins Gebirge geht.
Seit 20 Jahren bereits geht der 42jährige aus Griesstätt barfuß in die Berge. Eine Freundin habe ihn dazu gebracht, erzählt er. Das war damals, als ziemlich viele Menschen ohne Schuhe herumgelaufen sind und sich Hippies nannten. Diese Freundin jedenfalls sei auch bei einer gemeinsamen Tour auf die Hochries, einem 1569 Meter hohen Berg im Chiemgau, barfuß gelaufen. "Und da habe ich mir halt gedacht, das probierst jetzt auch mal." Große Schmerzen habe er gehabt, aber trotzdem durchgehalten. Heute ist das Barfuß - Laufen zum Hobby des gelernten Gärtners geworden, der jede freie Minute im Gebirge verbringt.
Über die Jahre ist die Hochries zu seinem Hausberg geworden. 126 Mal ist er schon barfuß auf diesen schönen Aussichtsberg gelaufen. Zum Training einerseits, andererseits aber auch, um sich zu besinnen, zu konzentrieren.
Denn das Barfuß - Laufen, sagt von Oy, sei für ihn die beste Methode, "seelischen Druck abzubauen." Daneben gibt es aber auch noch den sportlichen Aspekt seiner Freizeitbeschäftigung, der dazu führt, dass von Oy immer extremere Touren unternimmt - mit den Schuhen im Rucksack, um sie für den Abstieg anzuziehen.
In der Steinernen Rinne im Wilden Kaiser ist er öfters, oder auf den Bergen im Berchtesgadener Land. Irgendwann würde er gerne den Großglockner besteigen.
[Bayrischer Rundfunk bergauf - bergab, zur Sendung vom 22. 10. 1998]

Den kompletten Mittschnitt findet Ihr unter "Presse"

Leicht erfrorene Füße
Dies war sehr schmerzhaft und ich konnte
Wochen lang kaum Laufen.

 

Hier Ankunft auf der Hochries-Hütte, am 31.05.2006, unter 30cm Neuschnee war ein Stein im Weg (!). Sonst geht\'s ohne Wunden ab, außer tiefen Rissen im Hacken und Zehenbereich von Kälte, Nässe und Trockenheit.

"Meine Lebensphilosophie"

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